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Was ist Faschismus?

Letztens las ich einige Texte, die mit dem Wort “Faschist” umgingen, als sei es eine Süßigkeit. Jeder, der Mal einen Altherren-Take zu einem progressiven Thema hatte und alle assoziierten Personen wurden so betitelt. Für mich war “Faschist” bisher immer eines der schlimmsten politischen Schimpfworte, die wir im sprachlichen Arsenal haben. Allerdings muss ich zugeben, dass ich keine wirkliche Ahnung habe, was Faschismus überhaupt bedeutet.

Irgendwie hat es was mit Italien während des zweiten Weltkriegs zu tun und irgendwie verstehe ich darunter ultra-autoritärer Nationalist. Aber ist das so akkurat? Befragen wir doch einfach die Wikipedia .

Okay der historische Faschmismus war die politiche Bewegung unter Mussolini, die 1922 bis 1945 die beherrschende Macht Italiens war. Sie mischten also auch im zweiten Weltkrieg mit.

Schon in den 20er Jahren ging der Begriff von einer Eigenbezeichnung zu einem Gattungsbegriff über. Geschichtsnerds haben um das ganze die Faschismustheorie begründet. Da tauch ich jetzt nicht tiefer ein. Was ein moderner Twitter-User mit “Faschist” meint, ist wahrscheinlich ein “Neofaschist”.

(Neo-)Faschismus im kontemporären Sinne ist eine bezeichnung für politische Bewegung, die nach dem Führerprinzip ultra-autoritär sind und völkisch bzw. rassisch begründete Eliten bezeichnen.

Sie sind wohl antikommunistisch. Allerdings ist “Kommunismus” aktuell ein gleichermaßen aufgeladener und verwaschener Begriff. “Das Kapital” ist ein trockener, langweiliger read und die wenigsten haben mehr als ein vages Gefühl, was Kommunismus eigentlich ist. Bis zu dem Punkt, an dem sich jeder gute US-Amerekaner als stolzer Antikommunist selbstbezeichnet.

Weiterhin sind (Neo-)Faschisten militant und gewaltbereit. Der Punkt ist spannend, weil er nahezu jeden rassistischen Nationalisten, den ich bisher sprach ausschließt. Vielleicht waren diese auch einfach nur deshalb nicht gewaltbereit, weil ich ein großer, weißer, Deutscher in mindestens dritter Generation bin. Vielleicht sind sie aber auch einfach nur passiv. Menschen, die sich einen starken Führer und sozialen Status durch ihre Hautfarbe wünschen, denken mit sicherheit nicht gerne für sich selbst – sonst bräcuhten sie ja keinen Führer. Der gemeine Wald-und-Wiesen-Rassist ist eventuell gewaltbereit, aber zu schüchtern tatsächlich etwas zu tun. Solange bis sich ein Narzisst findet, der sie in Reih und Glied anordnet und sagt wo’s lang geht.

Gewaltbereitschaft und Militanz ist, glaube ich, ein wichtiger Aspekt des Faschisten, aber auch ein unsichtbarer. Die Meinungen und Weltanschauungen eines Menschen sind einfach zu lesen – die meisten erzählen einfach was sie denken – aber die tatsächliche Bereitschaft für etwas Dummes zu sterben, lässt sich nur ahnen.


Okay. Ist jemand, der geschlechtsneutrale Pronomen als störendes, politisches Statement empfindet ein Faschsist? Nein. Sojemand ist einfach 15 Jahre älter, als der durchsschnittliche Twitter-User und braucht den Moment, um mit der Zeit zu gehen.

Ist jemand, der eine Quote für ethnische oder geschlechtliche Minderheiten ablehnt ein Faschiste? Unsicher. Während ein Faschist ethnische Minderheiten überall ablehnt, gibt es auch einige andere Argumente gegen Quoten, die eine solche Person zu einer Meinung führen.

Ist jemand, der sich an ethnischen Minderheiten in Medien stört ein Faschist? Vielleicht. Sich an der Representation einer Minderheit zu stören ist wahrscheinlich ein Symptom von unterliegenden rassistischen Idealen. Nationalismus und Militanz sind nicht unbedingt gegeben.

Ist jemand, der durch die Straßenbahn ruft “jetzt reichts mir aber mit den scheiß K-[redacted]” (wahre Begebenheit) ein Faschist? Nun… Rassismus ist gegeben, ethnische Elitenstellung auch, Nationalismus ist wenigstens impliziert und Gewaltbereitschaft äußerte sich verbal. De facto war der Typ körperlich nicht in der Lage gewaltsam zu sein, aber er hätte sicherlich auch nicht die Polizei gerufen, wenn andere die Tritte übernommen hätten. Den Typen würde ich ohne Skrupel als Faschist bezeichnen. Kein strammer Neo-Nazi, wie man ihn sich vorstellen würde, aber er passt halt einfach in die Definition.


Was nehme ich für mich mit? Faschist ist ein shorthand für “autoritärer, gewaltbereiter Nationalist mit einem Glauben an völkische oder ethnische Eliten”. Wenn ich diesen Begriff verwende will ich, dass er entsprechende Schlagkraft hat. “Faschist” muss ein totschlag-Argument bleiben – eine politische Beleidigung. Der Tag an dem ich höre “Heutzutage ist ja JEDER ein Faschist” ist der Tag an dem Gott von uns ging.